Wolfgang Joop ist zweifellos einer der bekanntesten Designer Deutschlands. Sensibel und intuitiv hat er ein Händchen für das, was von den Menschen als modisch, lässig und deshalb als ,,anziehend“ im wahrsten Sinne des Wortes empfunden wird. Lange hat der erfolgsverwöhnte Mode-Künstler die Berliner Fashion Week gemieden. Doch dieses Jahr veranstaltete er im Alter von 75 Jahren gleich zwei Events der besonderen Art …
Die Show von Wolfgang Joop
Über dieses Ausnahmetalent, wie er gerne in Modemagazinen betitelt wird, kann man vieles sagen. Nur nicht, dass ihn der Mainstream sonderlich interessiert. Er sucht das Interessante. Interessante Menschen, interessante Kleidung, interessante Shows. Und er gibt sich extrem vielseitig.
So hatte er am Dienstag bereits seine exklusive ,,Upperclass-Kollektion“ , die er für ,,van Laak“ gestaltet hatte, im sechsten Stock des KaDeWe vorgestellt. Wie in den Potsdamer Nachrichten zu lesen war, folgt diese Linie für Joop der Optik der Reichen und Schönen. „Sie (die Trägerin seiner Mode, Anmerkung der Red.) erklärt sich nicht, und sie schämt sich nicht, dass sie rich and beautiful ist“. Eines der sich am besten verkaufenden Stücke aus der ,,van Laak“ Kollektion ist übrigen das ,,Hybrid-Hemd“ , welches Jersey-Einsätze zwischen Brust- und Rückenteil und so Spannungsfalten unmöglich macht.
Die Kollektion, die er am nächsten Tag im ehemaligen Berliner Kraftwerk vorgestellt werden würde, sollte etwas komplett anderes sein. Eine günstige, Kombi-freundliche Linie – durchaus auch für das Massenpublikum gedacht..
Diese neue, relativ kleine, junge Kollektion mit dem punktgenauen Namen ,,Looks by Wolfgang Joop“ wurde aus recycelten Rohstoffen hergestellt. Sie soll nun ab September auf dem Markt kommen und unter anderem auch bei C&A verkauft werden. Wie in den ,,Potsdamer Nachrichten“ zu lesen war, äußerte sich Joop dahingehend, dass es in jedem Aldi eine Ecke mit ein paar Sweatshirts gebe, aber nie das, was er jetzt machen würde: ,,eine richtig durchdachte Kollektion, die auch international jedem Anspruch genügt.“Das Portal „Fashion United“ berichtet, ist das zum Konzern JCK Holding GmbH Textil KG gehörende Unternehmen „Label Crew“ dabei Joops neuer Lizenzpartner ist.
Man hat den Eindruck, dass dem sensiblen Künstler manches bewußt meidet. Laute Menschen, die nur dem nachlaufen, was andere für ,,Hipp“ befinden. Etikette, die keinen Sinn machen und eine genormte Welt, die dem Feinsinn und der Individualität keinen Platz mehr einräumen möchte. Dementsprechend sollte seine Show etwas besonderes werden. Ein Erlebnis für die Menschen. Kein Konsum-Artikel, den man wie Kaugummi konsumiert, die Goodie-Bag ,,klaut“ und dann abhaut. Sondern ein Event, das noch lange nachhallt und im Gedächtnis bleibt und zum Nachdenken anregt …
Die Einstimmung der Zuschauer
- Joop weiß, wie er einen lässigen Look kreiert!
So begann das Ereignis auch relativ spät und der eigentliche Beginn war dann noch später … Aber gerade das war so gewollt. Denn für ihn war nicht nur die Show, sondern auch die Begegnung der Menschen wichtig. So lud er die Gäste zuerst einmal auf ein Glas Sekt ein, damit sich Freunde und Bekannte, die sich länger nicht gesehen hatten, oder auch Leute, die man schon immer einmal kennenlernen wollte, in Ruhe unterhalten konnten, bevor die Show losging … Möglichkeiten, die es sonst weniger gibt, was auch ich persönlich schon oft bedauert habe, gerade dann, wenn man interessante Menschen trifft, mit denen man gerne ins Gespräch kommt … Und auch hier hatte er ein gutes Händchen bewiesen. Die Einladung wurde gerne angenommen und der Raum war fast zu klein, um alle Gäste zu fassen.
Tatsächlich hatten Joop viele alten Freunde die Ehre erwiesen – Neben Einkäufern und anderen Geschäftsleuten der Mode-Branche waren auch Menschen aus früherer Zeit und aus seiner Zeit bei dem TV-Format ,,Germanys Next Topmodel“ gekommen. Boris Entrup, der Star-Visagist, war genauso vertreten wie Thomas Hayo, langjähriger Juror des Formates mit Heidi Klum, die jährlich ihre Topmodels sucht. Allerdings bekommt in der Show nicht jede am Ende ein Bild und scheidet dann aus … Und so hatten sich auch Wolfgang Joop, wie andere auch, wieder verabschiedet. Ob Heidi kein Foto für ihn hatte oder er gehen wollte, oder beides, weiß ich nicht! Nur soviel: Heidi Klum war nicht da!
Nach etwa einer Stunde des Plauderns und ,,Ankommens“ wurde die illustre Schar dann von einem gutaussehenden, dunkel gekleideten Mann in die große, entkernte Halle des ehemaligen Berliner Kraftwerks gebeten. Die riesige Halle hat dabei etwas Monumentales, ja fast Sakrales ..
So dauerte es auch einen Moment, bis man an den Sitzplätzen angekommen war. Am Ende des Laufstegs flatterte bereits eine Videoinstallation mit Bildern, Kunstwerken, Zeichnungen und Fotos des jungen Wolfgang über die große Leinwand, wobei sich die Projektion wie ein Fluss über den Laufsteg ergoss.
Als alle Zuschauer schließlich alle einen Platz gefunden hatten und das Licht ausging, wurde erst klar, das einiges anders werden würde, als sie es von den bisherigen Schauen gewohnt waren.
Wolfgang Joop würde seine Models nicht profan über den Laufsteg laufen lassen, sondern ,,Det Janze“ als Kunststück gleich einer Theaterinszenierung auf einer Bühne zelebrieren … Deshalb waren auch die Plätze für die Zuschauer auf eine Seite beschränkt und der eigentliche Schauplatz des Geschehens, eine Art Bühne, dem Publikum gegenübergestellt.
Dort agierten die Models in dem von oben beleuchten Industrie-Ambiente. Zusätzlich dienten sie aber auch sie als Projektionsfläche für die Joop Bilder-Collage, sodass sich zusätzlich interessante Schatten auf den Looks ergaben …

Die MODE des Meisters – Gegensätze ziehen (sich) an!
Man brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, wie das raffiniertes Spiel aus Layering mit gekonnt kombinierten verschiedenen Längen und ausgesuchten, oft komplementären Farb-Zusammenstellungen funktionierte, die diese ,,gewollte Zufälligkeit“ perfektionierte und eine neue Lässigkeit entstehen ließ! Kontrastreich wie sein Tun und Wirken, so zeigte sich auch die Farbpalette der Kollektion: Schwarz und Weiß, Steingrau, Braun und Orange,..aber auch kühle Töne wie ein kräftiges Blau oder Pink
Die Schnitte wiederum waren lässig, aber auch figurnah, wobei Joop durch die Kombinationen verschiedener Stielrichtungen, von Blazer, Wollmäntel und Bomberjacken, Strickstulpen, Strickpullunder, Plissee – Röcken und karierten Hosen, gerne in 3/4 Länge, tatsächlich ,,neue“ Gesamtoutfits entstehen ließ, die zwar in einige Akkorden leise an die 80er erinnerten, aber doch eine nie dagewesene Sinfonie ergaben. So ergaben die über die Schulter gelegte Schals bei Männern den Looks etwas Erhabenes und Extravagantes und die halben, an die Oberteile angenähten Pullunder waren eine kleine, witzige Spitze gegen Althergebrachtes und gleichzeitig der Aufruf an die Betrachter, die Dinge einmal von einer anderen Warte aus zu betrachten …





Joop ging es bei dieser Kollektion darum, noch einmal eine Botschaft in die Welt zu senden, die seine Lebens-Erfahrung wiederspiegeln sollte: Er wollte die Menschen aus ihrer Reserve locken – ihnen Mut für Individualität und Variabilität zusprechen und sie auffordern, Mode als ein Teil ihres Charakters anzusehen!
So war jedes Teil individuell, aber dennoch konnten die Teile der Kollektion durch die gekonnte Farbgebung und den positiven Spannungsaufbau beim Mix verschiedener Stile alle problemlos miteinander kombiniert werden. ,,Looks by Wolfgang Joop” Herbst Winter 2020 ist eine Kollektion, die mann in dem Moment begreift, in dem man aufhört, sie begreifen zu wollen und sich einfach einmal darauf einlässt! Dann erkennt man eine tolle, frische Mode, die den Charakter der Trägerin/den Träger individuell zur Geltung bringt und Lust auf mehr macht!
Und was liegt dem Meister selbst noch am Herzen?
„Ich mache das, weil ich auch sagen will: Behalten, behalten, behalten – und kaufen, was Dir wirklich etwas gibt, statt kartonweise Amazon zu bestellen.“
In Kooperation mit „Label Crew“ sollen Sonderkollektionen produziert werden; verkauft werde „Looks“ unter anderem bei C&A, kündigte Joop selbst an. Es werde auch Kleinmöbel und Bettwäsche geben – Partner hierfür ist Ibena aus Bocholt – , Kosmetik und Schuhe: „Das ist das alte Joop!-Ding, nur in jung, neu und preiswert.“
