Wahre Short Story: Der ,,echte“ Weihnachtsbaum

Hallo Ihr Lieben!

fullsizeoutput_466dViele Jahre ist es her, dass wir zum letzen Mal einen echten Weihnachtsbaum hatten. Umweltgedanken, täglich herab rieselnde Nadeln oder wieder – einpflanzbare Fichtenbaum-Kinder im Topf, die nur zu etwa 50% den Weihnachtsstress tatsächlich überlebten, hatten mir die Lust am ,,Echten“ genommen.

Nun steht ein aufs Schönste geschmücktes, dichtes, buschiges, wunderschön gleichmäßiges Bäumchen in Frischhaltefolie  verpackt im Keller. Man muss nur die Folie abwickeln und Voilà – der Baum ist fertig für die Steckdose! Der Schmuck ist perfekt aufeinander abgestimmt, natürlich ohne zerbrechliche Materialien, weil er sonst beim Transport durch das Treppenhaus Schaden nehmen könnte. So könnte man ihn theoretisch noch in 100 Jahren Jahr für Jahr aus dem Keller holen, ohne dass es auffallen würde! Noch ökonomischer ist es eigentlich nur, wie ich es vor einiger Zeit bei einem Notarzteinsatz  im heißen August bei einem Rentnerpaar erlebt hatte. Da stand im Wohnzimmer nämlich, bei geschlossenen Jalousien – weil es draußen drückend heiß war – ein voll illuminierter Weihnachtsbaum, bei dessen Schein ich mich um den Herz-infarzierten Hausherrn kümmerte. 365 Tage Weihnachten im Jahr waren  wohl auch für Ihn  einfach zu viel des Guten …

 

Ich kann nicht einmal sagen, warum, aber irgendetwas sträubte sich in mir, als ich unseren Plastik-Prachtbaum im November auf Funktionstüchtigkeit überprüfte. ,,The same procedure  as every year“ kam mir in den Sinn … Festhalten an etwas, was gerade dadurch an Bedeutung verliert und das Wesentliche vergessen läßt …

Bei Inspektion der restlichen Weihnachts-Deko-Kisten fiel mir dann etwas ins Auge, was schlagartig einen ungewöhnlichen Wunsch in mir weckte!  Erst durch die letzte Aufräumaktion war diese Kiste aus den Weiten des Wagnerschen Kellers vor ein paar Wochen wieder aufgetaucht. Sie enthielt nämlich wunderschöne bunte, hauchzarte Glaskugeln.

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Wohlbehütet in ihren Originalschachteln fernab von Welpen, kleinen Kindern und gestressten Erwachsenen hatten sie dort ihren Dornröschenschlaf geschlummert und die Jahrzehnte unbeschadet überdauert … !

 

Als ich die Sache  beim Abendessen vorsichtig ansprach, waren – zu meiner Überraschung – die beiden Männer sofort Feuer- und Flamme! Sogleich  schmiedeten sie Pläne zur Realisation, wobei es meine Aufgabe sein sollte,  sie mit dem Auto dort, wo sie den Baum schlagen wollten, abzuholen: ,,Da, wo das Schwimmbad ist, an der Grillhütte!“ Ich erinnerte mich, dass gegenüber des Calypso-Schwimmbades, dessen wunderschöner Spa-Bereich mir schon so manche wohlige Stunde bereitet hatte, ein rustikales Haus stand,  das ein Restaurant beherbergte. Da die Speisekarte recht fleischlastig war,  mied ich als Vegetarier diese Location wie der Teufel das Weihwasser. Versteht mich nicht falsch:  Prinzipiell habe ich wirklich nix gegen Fleischesser,  nur finde ich es immer ein wenig frustran, inmitten Schwaden von verbranntem Fleisch drei Gänge lang an zwei Salatblättern zu lutschen!

Aber zurück zu meinem Treffpunkt mit meinen zwei Holzfällern: Vor der Gaststätte war ein großer  Parkplatz und dahinter der Wald. ,,Alles klar“, antwortete ich fröhlich, ,,Dann komme ich auf Abruf dorthin.“

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Weihnachtsgeschenke … Ob etwas für mich dabei ist?

Die beiden waren keine Stunde unterwegs gewesen, da klingelte auch schon das Telefon. Beschwingt ließ ich, entgegen meines sonstigen Musikgeschmackes, Weihnachtslieder im Autoradio laufen und traf nach komplikationsloser Fahrt bereits zehn Minuten später an der ,,Grillhütte“ ein. Allerdings  entpuppte diese sich bei näherer Inspektion des Schildes  als ,,Schnitzelhütte“!  ,,Egal, wer wird denn so kleinlich sein“, dachte ich noch, während ich nach Menschen mit  selbstgeschlagenen Bäumchen Ausschau hielt, die aber, komischerweise, alle wie vom Erdboden verschluckt schienen … Wobei… Immerhin sah ich in Waldrandnähe eine Art  Weihnachtsbaumverkauf. Allerdings waren die Gitter, hinter denen die Bäumlein wohl irgendwann einmal auf Abnehmer warten sollten, verschlossen und weit und breit schien in diesem Moment keine Menschenseele etwas mit Weihnachtsbäumen zu tun haben wollen.Trotz dieser Indizien schien das alles irgendwie nicht so ganz zu passen. Sollte ich mich etwa getäuscht haben? Zwar  war das natürlich nahezu unmöglich, aber so langsam würde ich auch diese Möglichkeit in Betracht ziehen müssen! Seufzend zog ich mein Handy heraus, um ein klärendes Telefonat unter Eingestehung diskreter Schwierigkeiten bei der Ortung der beiden zu führen. Und das bei meinem Orientierungssinn, auf den ich immer so stolz war! Welche Schmach!

Doch selbst nach mehrmaligen Versuchen stellte sich der Handyempfang  in dieser Tal-Lage als höchst spartanisch  heraus. Wobei, ich nun nicht ungerecht sein möchte, denn in Sparta gab es immerhin, soviel ich mich zu erinnern glaube,  menschliche Kuriere, die sicherlich zuverlässiger waren. Aber seins drum.

Jedenfalls  hörte ich nur ,,Wir… Grillhütte, knack gnik, knuk“. Hä? Ich blickte mich abermals um, um dann eingestehen zu müssen, dass dieser Ort hier, trotz der Übereinstimmung mit dem Schwimmbad auf der anderen Straßenseite, wohl doch nicht so ganz der richtig war…

Außerdem brach an diesem etwas diesigen Schnee-Regen-Tag so langsam schon die Dunkelheit herein, so fuhr ich, in der Hoffnung auf einen Hinweis, langsam die Straße am Waldrand entlang, doch nirgends war eine Spur von meinen Lieben zu sehen.

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Irgendwo am Ende des Parkplatzes entdeckte ich jedoch einen kleinen, unauffälligen Feldweg, der anscheinend in den dunklen Wald hineinführte. Die verrostete Schranke war geöffnet und so fuhr ich, irgendwie magisch angezogen, in das von den dichter werdenden Bäumen fast schwarze  Loch hinein. Dabei  hatte das dumpfe Gefühl, der fahle Wald würde mich, gleich ein Riesen-Monster, gleich einfach verschlingen…

Aber ich zwang mich zur Vernunft. Wäre ich erst einmal etwas weiter oben auf dem Berg, würde das Handy einen besseren Empfang haben und vielleicht würde ich auch ausmachen können, wo die Baumschule war, in der die Weihnachts-Bäume geschlagen werden durften.

Allerdings war der Weg  so eng, dass ich mit meinem SUV gerade noch darauf fahren konnte. Die Räder arbeiteten sich unermüdlich schwer durch den tiefen Matsch, während es links von mir steil bergab und rechts von mit steil nach oben ging. Das Licht der Dämmerung blitzte durch dich Zweige, die sich über dem Weg wie ein Bogen spannten und tauchte die Landschaft in ein unwirklich gelb-graues Licht, während ich den Eindruck hatte, dass sich die Schatten der riesigen Bäume immer mehr zu einer undurchdringlichen Wand verdichteten.

Meine Hände umkrampften das Lenkrad, als ich an eine Gabelung kam. Die eine Seite schien wieder nach unten zu gehen, war aber besser befestigt, die andere geradeaus nach oben…

Eigentlich wäre ich gerne stehen geblieben, um mir das genauer zu überlegen, aber das schien mir das keine so gute Idee, da die Räder ihre Schwierigkeiten mit dem rutschigen Blättermatsch hatten. So erinnerte mich die Fahrt auf den letzten Metern des Weges an die Skiabfahrt vor zwei Wochen an der Teufelsmühle im Nordschwarzwald. Für so gute Rutschverhältnisse wie hier hätte sich wohl jeder Skifahrer alle 5 Finger geleckt … Dennoch  muss ich Euch nicht erzählen, welchen Weg ich bevorzugte…

Come on, natürlich den direkten nach oben, auch, wenn er wahrscheinlich nicht ganz so komfortabel war!

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Okay, wenn ich jetzt steckenbleiben würde, könnte ich die Beiden niemals in der nächsten Stunde mit ihrem Baum abholen, die nun irgendwo standen  und sicherlich von Minute zu Minute ärgerlicher wurden… Doch dieses Risiko musste ich eingehen!

In Schrittgeschwindigkeit robbte sich mein tapferes Fahrzeug nach vorne, über laut knackende Äste, die quer über die Fahrbahn lagen und vorbei an hell aufleuchtenden Augen von irgendwelchen  Waldtieren, die wohl genauso vor mir erschraken, wie ich vor ihnen.

Doch dann wurde dieser Weg so eng, dass ich kaum noch hindurch passte. Die Bäume schienen immer enger auf mich zu zukommen und ich fühlte, aus welcher Stimmung heraus Kafka seine Romane geschrieben haben musste … Der graue, dichte Nebel  schien mich zusätzlich komplett von der realen Welt abzuschotten und mir irgendwie die Luft abzuschnüren … Denn als ich  das Fenster öffnete, kroch mir die kalte, feuchte Luft schwer in meine Lungen, ohne dem Gefühl der Atemnot Linderung zu verschaffen.  Ich fühlte mich wie in einem komischen Traum, der sich andererseits  aber verdammt real anfühlte!  Schließlich  gelang  es mir doch, mich zu beruhigen. Der Weg hatte sich mittlerweile wohl tatsächlich in ein Nichts aufgelöst und so brachte ich den Wagen zum stehen, um  mir zu überlegen, wie ich nun weiter vorgehen wolle. Nessy allein im Wald … Irgendwie auch komisch, oder? Und es ging mir ja gut, die Situation war schließlich nur die, dass ich mich wohl, ein wenig zu forsch bei meiner Wegwahl,  nun einfach verfahren hatte. Allerdings war es zum Umkehren  hier definitiv zu eng, das heißt, ich würde  langsam rückwärts fahren müssen, bis ich irgendwo wenden konnte. Ich würde das nun zu Fuß checken… So lief ich zuerst den Weg zurück. Okay, etwa 15 Meter, dann könnte ich wenden… Noch kurz wollte ich aber auch den Weg nach vorne checken … Also… Die Spuren im Boden, die den Weg markierten, waren zwar schon ein paar Monate alt, gingen aber … weiter! Vorsichtig ging ich ein paar Schritte in die Nebelwand hinein ….und … siehe da! Der Weg machte lediglich eine enge Kurve,  der ich tatsächlich weiter folgen konnte…

Und  plötzlich, völlig unverhofft, wurde es, wie von Zauberhand,  wieder heller und vor mir lag,  in weißen Nebel getaucht, eine Lichtung.

Der Weg wurde angenehm flach und härter.  Mit einem Ruck blieb ich stehen und holte erst einmal tief Luft, die mir hier ungleich frischer und sauerstoffreicher schien! Leichtfüßig ging ein paar Schritte, bevor ich erneut versuchte, meinen Mann zu erreichen.

Da war mir plötzlich, als würde ich, ganz leise zwar, aber doch deutlich, den Klingelton von irgendwo weit her hören … Und während sich endlich die ersehnte Verbindung mit meinen Baumfällern aufbaute, sah ich, etwa 100 Meter von mir entfernt, an einer Kreuzung stehend, die Umrisse zweier Menschen mit einem Baum …

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Ein unendlich warmes Gefühl der Erleichterung überkam mich, als ich die beiden Helden des selbstgeschlagenen Weihnachtsbaumes endlich in die Arme schloss!Aber dass meine Augen so feucht glänzten, lag wirklich nur daran, dass ich sie hier in der Dämmerung ständig zusammenkneifen musste …

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Meine zwei Jungs merkten jedenfalls nicht, was in mir in diesem Moment vorging und präsentierten mir mit vor Stolz und Freude glühende Gesichter einen wunderschönen Weihnachtsbaum …

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Der Rest ist schnell erzählt! Wir fuhren auf dem breiten, bequemen Weg zurück, auf dem die beiden gekommen waren und an dem, nebenbei erwähnt, auch jene Baumschule, in der man die Weihnachtsbäume selbst schlagen konnte, befand.

Tja, danach schmückten wir unser Bäumchen mit den wunderschönen echten Glaskugeln. Aber als an Heilig Abend unsere Gäste kamen, brachten sie noch ihren Baumschmuck mit, der für sie eine ganz persönliche Bedeutung hatte. Und als sie alle ,,O Tannenbaum“ anstimmten, glänzten meine Augen abermals – vor Rührung …               In diesem Sinne wünsche ich Euch noch eine wunderschöne Zeit – mit oder ohne Euren Lieben!

Von Herzen, Eure Nessy

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15 Kommentare zu „Wahre Short Story: Der ,,echte“ Weihnachtsbaum

  1. Guten Morgen liebe Nessy, es ist doch viel schöner Weihnachten mit einem solchen Erlebnis zu feiern, als den Baum irgendwo im Baumarkt zu kaufen, oder? 😉 Die Kugeln gefallen mir sehr und die kleinen Glasvögel erinnern mich an den Schmuck meiner Kindheit. Das erste Bild von Dir erinnert mich stark an die jüngere B.B. und danke für die anderen zauberhaften Aufnahmen! Ich wünsche Dir und Deinen geliebten Menschen und Vierbeinern einen glücklichen 2. Weihnachtsfeiertag und send Dir küchenschwere Düfte aus Marburg ❤

    1. Lieber Arno! Zunächst wünsche ich Dir ein positives, inspirierendes Jahr mit vielen schönen Erlebnissen, die die Schatten des letzten für Dich überstrahlen!
      Danke Dir sehr für Deinen lieben, oft auch sehr informativen und aufbauenden Kommentare! Du kannst Dich super in Menschen hineinversetzen und sie so dazu zu bringen, besser zu werden! Gleichzeitig erkennst Du ihre Stärken an und kannst sie so für Dich nutzen! Eine wichtige Eigenschaft, deren Chance viele Menschen aus Arroganz verpuffen lassen! Alles Liebe, Nessy

  2. Oh ja und wie der duftet, der selbsgeschlagene frische Baum aus kontrollierten Anbau sozusagen, lokal. Sieht sehr schön aus Nessy. Wur sägen auch immer selbst, wenn auch das bei uns nicht so spektakulär ist 🙂
    Liebe Grüße Tina

    1. Danke Dir, liebe Tina! Ja, wir haben ehrlicherweise noch fast nie vorher einen Baum selbst geschlagen, außer, ich wollte den Garten ,,auslichten“! Den Männern hat´s aber richtig Spaß gemacht, da kommt das Arachaische durch… Alles Liebe und Dir und Deiner Familie ein wunderschönes, inspirierendes neues Jahr mit vielen tollen Momenten! Alles Liebe, Nessy

    1. Danke Dir, liebe Reni! Auch Dir wunderschöne Feiertage und ein schönes, inspirierendes neues Jahr mit Gesundheit und Frohsinn und tollen Klamotten! Alles Liebe, Nessy

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