Pferde: Dressur Reiten: Was ist die natürlichen Schiefe und wie geht man mit ihr um? Gleichgewicht fördern, Geraderichten…

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WIE SCHON GUSTAV STEINBRECHT SAGTE: REITE DEIN PFERD VORWÄRTS UND RICHTE ES GERADE – Hier seht Ihr Madita Zurheide auf Lissy.

Hallo Ihr Lieben,
heute noch einmal etwas für die Reitbegeisterten unter Euch! Keine Angst, der nächste Beitrag “ für Alle“ wartet auch schon in den Startlöchern...

Vielleicht kennt Ihr ja noch meine Stute Lissy und Ihre Geschichte  (bei Interesse einfach auf  „ Eine Pferdegeschichte…“  klicken oder bei Suchen „Pferd“ eingeben).

In letzter Zeit ist Lissy  zunehmend rittiger geworden. Ihr geht es sehr gut und sie macht mir viel Freude! Allerdings zeigte sich nun ein Problem, dass sich bei jungen Pferden oft ausgeprägter ist  als bei älteren, aber  bei jedem Pferd mehr oder weniger vorhanden ist. Deshalb, ist es nötig, solange daran zu arbeiten, wie das Pferd einen Reiter tragen soll.

Durch eine anatomische Ungleichheit der beiden Seiten, die sogenannte  „Schiefe“, hatte Lissy vor allem Probleme mit dem Angaloppieren rechtsherum. Einige „Tricks“ hatte ich schon alleine ausprobiert. Die Symptome der Schiefe waren deshalb  zwar schon  besser geworden, aber dieses Hauptproblem  blieb nach wie vor.

Nun, zu zweit würde ich im Training noch einen Schritt weiter gehen können! Die noch junge, aber sehr talentierte Berufs-Reiterin Madita Zurheide (über die ich auch in den beiden Dressur-Artikeln bereits  berichtet habe, siehe unten) hatte mir ihre Hilfe zugesagt.  Schon vorher hatte mir einmal eine liebe Kollegin aus dem Stall bei meinen „Versuchen zu zweit“ geholfen, was mir gezeigt hatte, dass dies der richtige Weg sein würde. Ich brauchte aber auch jemand, der sich auf Lissy genauso wohl fühlen würde wie ich, sodass ich das Vorgehen von unten steuern konnte… Aber dazu später!

 

1. Begriffe und Ursache

 Reiten auf einer Hand, Handgalopp, Außengalopp

Kein Pferd ist rechts und links gleich „rittig“. Eine Seite empfinden wir immer als „besser“ als die andere. Bei Lissy hat sich das so geäußert, dass es auf der rechten Hand sehr schwer war, sie im „Handgalopp“ anzugaloppieren. „Handgalopp bedeutet, dass die Galoppart ( Rechts- und Linksgalopp haben verschiedene Fußfolgen) mit der Richtung, der „Hand“, auf der man reitet, übereinstimmt. „Rechte Hand“ bedeutet, die rechte Hand zeigt nach innen und umgekehrt. Beim „Handgalopp“ reitet man also Rechtsgalopp auf der rechten Hand, analog links. Stattdessen galoppierte sie auf der rechten Hand im Linksgalopp an. Dieses andersseitige Angaloppieren nennt man „Außengalopp„.

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Auch wenn manche Reiterinnen das Problem lieber von dieser Seite aus betrachten würden, muß man sich leider etwas mehr Mühe machen… Wenn schon nicht aus eigenem Interesse, dann wenigstens für das Pferd ! Ihm sind wir, wenn wir es reiten wollen, eine Gymnastizierung schuldig. Nur so kann es uns tragen, ohne Schaden zu nehmen!

Was bedeutet „natürliche Schiefe?“

Die Längsachse des Pferdes ist links und rechts unterschiedlich gekrümmt und muskulär entwickelt. Früher ging man davon aus, dass dies durch die Lage im Mutterleib bedingt sei, heute weiß man, dass dies im Gehirn angelegt ist,  so wie es bei Menschen auch Links- und Rechtshänder gibt. Häufiger ist wohl die Rechtsschiefe.

Zwangsseite und hohle Seite

Die Muskulatur der hohlen Seite ist weniger dehnungsfähig, läßt sich aber „besser“ biegen. Allerdings fußt das Pferd mit seinem Hinterbein auf dieser Seite nicht unter den Schwerpunkt, sondern weicht der Lastenaufnahme aus, indem es innen an der Spur des Vorderbeines vorbeifußt. Das Hinterbein auf der anderen Seite muß dann mehr Schub entwickeln.

Bei engen Wendungen bricht das Pferd auf der hohlen Seite über die äußere Schulter aus. Häufig, nicht immer, fällt die Mähne auf die hohle Seite.

Auf der hohlen Seite tritt das Pferd meist weniger an das Gebiß heran, während es an der „Zwangsseite“ Druck aufbaut und das Gebiß leicht herausgezogen wird. Die Muskulatur ist auf der Zwangsseite deutlicher ausgeprägt.

Beim Reiten auf der Zwangsseite läßt sich das Pferd schlechter stellen und biegen, es liegt ja auf dieser Hand. Bei Wendungen versucht es den Weg zu verkürzen und fällt auf die innere Schulter.  Bei Wendungen auf der Hand der Zwangsseite fällt es auf die innere Schulter. Der Galopp fällt auf der Zwangsseite leichter, weil das Hinterbein tragfähiger ist, aber auch steifer.

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2. Problemlösung: Was kann man tun, um das Pferd gerade zu richten?

2.1. Allgemeine Maßnahmen:
  •  Punkte der Skala der Ausbildung immer wieder beachten!

Takt  – Losgelassenheit – Anlehnung – Schwung – Geraderichten – Versammlung

Ziele: Schubkraft/Tragkraft/ – Gleichgewicht/Durchlässigkeit

Mann sieht, dass das Geraderichten erst ziemlich weit hinten kommt. Allerdings wissen wir ja, dass man die Punkte nicht starr sehen sollte, sondern dass sie ineinander greifen!

  • Eine einfache Maßnahme ist das Reiten im Gelände!

Durch den natürlichen Vorwärtsdrang wird  der Takt  unterstützt. Das Reiten bergauf im Schritt und langsamen Trab kräftigt die Hinterhand  und die Rückenmuskulatur gleichmäßig. Die häufige Seitenwechsel und Biegungen sind auch für das Geraderichten ideal, da beide Seiten gekräftigt werden. IMG_1347 (2)Das Pferd sollte sich gerade im Gelände immer wieder nach vorwärts-abwärts dehnen können und locker durch den ganzen Körper schwingen (Losgelassenheit) . Durch das Reiten auf unebenem Boden wird die Trittsicherheit und das Gleichgewicht gefördert. Wichtig ist auch im Gelände, dass das Pferd keine Haltungen einnimmt, die  seinem Rücken und Bewegungsapparat schaden könnten. Dazu gehören das Reiten über dem Zügel. Dadurch wird der Rücken „hohl“, die Wirbelsäule kann nicht aufgewölbt werden und die Wirbel reiben aneinander – Schmerzen und sog. „Kissing spines“ -Veränderungen können die Folge sein.
Das Pferd sollte sich auch in Wendungen nicht „verwerfen“ und nach außen „über die Schulter ausbrechen“, sondern  korrekt gestellt und gebogen hindurchgeritten werden. Allerdings kann man die Gegebenheiten (Weg nach Hause, Wegbeschaffenheit, Steigungen etc.) gut dazu nutzen, Dressurübungen in den natürlichen Bewegungsablauf des Pferdes einzubauen. So lasse ich immer auf einem leicht schiefen Weg Richtung Heimat beide Schenkel weichen. Das geht so viel leichter, als in der Halle oder auf dem Platz.

  • Weitere Allgemeine Maßnahmen sind häufiger Handwechsel, gebogenen Linien /Ecken, Zikel, Volten zuerst groß, im Laufe des Trainings enger werdend. Das Pferd muß ja leicht diagonal nach vorne schwingen, damit die Hinterhufe die Spur der Vorderhufe treffen kann, da die Hüfte breiter als die Schulter ist. Durch das Reiten auf dem zweiten Hufschlag setzt man automatisch die äußeren Hilfen effektiver ein.
2.1. Spezielle Maßnahmen:
  • Da der Reiter automatisch etwas mehr auf die Zwangsseite gesetzt wird,  muß man aufpassen, dass man das Gewicht bewußt nach innen  verlagert und nicht mit der Hüfte abknickt. Beim Reiten eines Zirkels auf der Zwangsseite darf das Pferd nicht nach innen abdrängen. Bewußt die „Spur“ halten! Besonders an der festen Seite überstreichen Cavaletti-Arbeit kann hilfreich sein, da die Hinterhand gestärkt wird und sich der Rücken aufdehnt.
  • Probleme beim Angaloppieren auf der hohlen Seite: Zuerst wird man versuchen, auch die Hinerhand auf der hohlen Seite durch oben beschriebene Maßnahmen zu stärken.
  • Zusätzlich kann man die Longe sehr gut verwenden, um das Pferd zuerst ohne das zusätzliche Gewicht des Reiters auf beiden Seiten in allen drei Gangarten sicher gehen zu lassen. Das Pferd lernt so auch den Bewegungsablauf des Galoppierens auf der problematischen Hand (bei Lissy Problem beim Rechts angaloppieren – hohle Seite rechts), die Muskeln werden auf beiden Seiten (durch Handwechsel) gedehnt, auch auf der Zwangsseite (also bei Lissy die linke Seite).  Klappt das, kann man das Reitergewicht dazunehmen.
  • Funktioniert es aber in der Bahnmit dem richtigen Angaloppieren immer noch nicht wie bei Lissy, kann man das Anspringen  aus dem Trab mit einem kleinen Sprung über ein Cavaletti verbinden: Anreiten auf der Mittellinie  im Trab, über Cavaletti im Mittelpunkt rechts angaloppieren, weiter rechte Hand. das klappt oft ganz gut und das Pferd lernt so, sich auf beiden Seiten im Galoppauch mit Reiter richtig auszubalancieren. Das Video Mit Lissy und Madita gibt es hier.

Klappt es mit diesen Hilfsmitteln , ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis es auch ohne klappt! Allerdings hat man es wesentlich leichter, wenn man bei diesen letzten Schritten an der Longe und mit den Cavalettis  eine zweite, kompetente Person zur Hilfe hat – Danke Madita! Wir sind nun soweit, dass Lissy mit Hilfe des Cavalettis „richtig“ angaloppiert. To be continued…  

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So, Das war wieder einmal ein Ausflug in die Welt des Dressurreitens… Ich hoffe, er hat Euch etwas gebracht! Während bei mir die Erkenntnisse auf langjähriger Erfahrung beruhen, könnt Ihr bei ähnlichen Problemen meine Vorschläge einfach ausprobieren… Viel Erfolg mit Euren Pferden!

Gerne könnt Ihr mir über Eure Erfahrungen berichten!

Viele reiterliche Grüße, Eure Nessy

Weiere interessante Links zu Pferdeartikel

4 Kommentare zu „Pferde: Dressur Reiten: Was ist die natürlichen Schiefe und wie geht man mit ihr um? Gleichgewicht fördern, Geraderichten…

  1. Liebe Nessy, selbst wenn einem das Reiten fremd ist – du schaffst es alleine durch deine ganz spezielle Art zu schreiben und die immer schönen Fotos, dass ich den Text gerne lese oder überfliege.
    Einen schönen Sonntag wünscht dir Mitzi

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