Hallo Ihr Lieben,
eben hat es geklingelt. Mir passte es in diesem Moment überhaupt nicht – ich war nämlich gerade, mit einem fröhlichen Liedchen auf den Lippen, der Dusche entstiegen. In Windeseile zog ich mich an, dabei rufend: „Komme gleich!“ Gleichzeitig überlegte ich mir, wer es sein könnte – die Post? Eigentlich zu früh… Der Wasser/Strom/Sonstwas – Zähler – mmh, vielleicht… in jedem Fall wäre es mit Aufwand verbunden, nicht zu öffnen – zur Post fahren, Kärtchen schreiben… ich sah meine Komfort-Zone ernsthaft bedroht…
Mit interessantem Wetlook, roten Augen vom Shampoo und Schlupfhosenlook öffnete ich die Tür… Ein Penner! „Mist!“ schoß es mir durch den Kopf. Mit meinen ähnelnden, allerdings vom Alkohol anstatt vom Shampoo verursachten blutunterlaufenen Augen lallte er: “ Isch kemme von kleine Sirkus… arme Türe…“
„Oh Gott!“ was soll ich tun? Arme Tiere! Dem mußte man schon auf den Grund gehen – „Ähh! Traurig, traurig!“ war meine erste Reaktion, um mir ein wenig Zeit zum Denken zu verschaffen, doch schon fiel mir die richtige Frage ein: „Wo ist den der Standort von ihrem Zirkus?“
Mein betrunkener Freund schaute mich verdutzt an „Sirkus? Welcher Sirkus? Ach jo, dr Sirkus… Lassen se mich mal überleschen…“
„Sorry, ich habe erst vor kurzem für Gnadenhoftiere gespendet, einen schönen Tag noch“. Bums. Die Tür fiel zu und ich fühlte eine Wut in mir hochsteigen… Ich bin selten so richtig wütend, so tief in mir drin. Ein richtig blödes Gefühl, so gepaart mit Hilflosigkeit. Ich ärgerte mich – über ihn, über mich und über die Welt insgesamt. Sch…e!
Nein, das war nicht die Nessy, die ich sein wollte! Diese Nessy wußte nämlich eines ganz genau:
„Du kannst nicht die Welt ändern – nur dich selbst!“
Es war doch sowas von egal, ob der Penner aus einem Zirkus oder Zoo oder sonstwas kam (dann hätte er zumindest ein Zuhause gehabt) oder auf der Straße lebte, er war da und er bat mich um Hilfe. Und was tat ich? Haute ihm wegen einer kleinen Lüge, die niemanden wehtat die Tür vor der Nase zu! Warum hatte er denn gelogen? Weil er annahm, dass Tiere den Menschen wohl wichtiger sind als ihre Mitmenschen…
Nun höre ich in meinem Kopf den klugen Onkel Heinrich dozieren: “ Gibst du ihm Geld, versauft er es sowieso sofort!“ Leider hatte er wahrscheinlich recht. Ich biete normalerweise Obdachlosen etwas zu Essen und zu Trinken an, was sie leider auch oft ablehnen. Also, was kann man tun? Auf alle Fälle hätte die Nessy, die ich mag, den Menschen vor sich würdevoll behandelt. Auch wenn er Speisen abgelehnt hätte. Vielleicht hätte ihn eine Decke oder Kleidung für den Moment glücklich gemacht. Oder wenn man schnell im Internet nachgesehen hätte, wo die nächsten Suppenküchen/Übernachtungsplätze sind… Nein, das wissen nicht alle Obdachlosen… Oder vielleicht doch einfach zwei Euro, egal, was er damit macht…
Natürlich muß man aufpassen in unserer bösen Welt. Natürlich bekommt man vieles nicht gedankt. Aber trotzdem gibt es leise Zwischentöne, die zu treffen nicht ganz leicht ist. Aber auf sie kommt es an! Letztendlich entscheiden sie über die Tonart – über Dur oder Moll – hart oder weich…
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Ein Kommentar zu „Der Mann an der Tür – Kurzgeschichte zum Nachdenken“