Short Story: Warum ich wegen einer guten Freundin, zwei Stewardessen und zwei Piloten doch noch nach Berlin flog

 

Hallo Ihr Lieben!

Ihr habe es sicher schon an meinen beiden ersten Fashion-Week Artikel gemerkt! Dieses Jahr geht es mir, neben den wunderschönen, fantasievollen Modeentwürfen, auch um die außergewöhnlichen Menschen, die für mich mit dem halbjährlichen ,,Modezirkus“ untrennbar verbunden sind. So habe ich Euch bereits die beiden Chefdesigner Sophie Oemus  und Kilian Kerner vorgestellt. Aber bereits bei der Anreise habe ich ganz besondere Menschen getroffen, ohne deren persönlichen Einsatzes meine Reise nach Berlin tatsächlich nicht möglich gewesen wäre … aber lest selbst!

Anmerkungen im Vorfeld: Der Saarbrücker Flughafen ist klein, sehr klein! Sicherheitskontrolle und Boarding sind nur etwa 20-30 Meter voneinander entfernt. Warum dies für diese Geschichte  so wichtig ist, werdet Ihr bald merken … Und noch etwas: Sie ist tatsächlich wahr, lediglich der Name meiner Freundin wurde geändert!

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Glückliche Ankunft in Berlin – Ein langer Weg dahin!

01.07. 2019, 12.09 Uhr

Ich sitze noch im Auto, befinde mich auf einer der wenigen freien Plätze im Parkhaus des Flughafens in Saarbrücken. Überlege, wie ich mein Gepäck am besten aus dem Auto bugsiere, all zuviel Zeit ist schließlich nicht mehr – gerade eine Stunde, bis der Vogel abheben soll und ich muss noch einchecken … Also landet der Hut  auf meinem Kopf, da ist er unter, auch wenn das ein wenig overdressed auf einem Routineflug nach Berlin wirken mag, zumal ich dazu ein weißes Boucléjäckchen mit schwarzem Krägelchen trage. Zusammen gesehen ist das ein Outfit à la Chanel, das hierzulande eher Argwohn erweckt, als mich als Fashionista auszuweisen … Aber schließlich werde ich bald in der deutschen Modemetropole Berlin landen und diese Stadt ist, wie ich zu wissen meine, weltoffen in alle Richtungen! Sollte sie zumindest sein … Die schwarz-weiße Handtasche  mit dem kleinen Karl Lagerfeld-Konterfei – Gott hab´ihn seelig –  wird diagonal über den Kopf gewurschtelt, Geld und Paß sind so griffbereit, dann kann die schicke schwarze Aktentasche in die freie Hand … Moment! Wo ist dieses Ding, das eigentlich so groß ist, dass man es auch Aktenköfferchen bezeichnen könnte, weil es Foto, Laptop, Medikamente und sämtliche Ladekabel, beherbergt…

Auf dem Beifahrersitz ist sie nicht, klar, da hab´ich sie auch nicht hin! Rücksitz? Nein, der ist ungewöhnlich leer, nur ein wenig Altpapier, das schon längere Zeit geduldig auf das Verbringen in den entsprechenden Container wartet, dümpelt dort vor sich hin. Mir schwant es bereits und doch klammere ich mich mit all meinen Fasern an die ,,letzte Hoffnung“  – an den Kofferraum! Beim Öffnen sehe ich jedoch nur den Koffer, den ich sofort heraushole, aber dann schlägt mir wieder eine Mega-ordentliche Leere entgegen, die nicht einen Funken Hoffnung mehr zuläßt!

01.07.2019, 12.13 Uhr

Die Aktentasche muß noch zuhause im Gang stehen. Im ersten Reflex schaffe ich den Koffer in Windeseile wieder in den Kofferraum, springe ins Auto und fahre los. Jetzt nur keine Zeit verlieren! Doch ein Blick auf die Uhr macht all meine Hoffnung zunichte! Sogar, wenn ich alle Geschwindigkeitsrekorde breche, kann ich es gar nicht mehr schaffen. Noch 57 Minuten, bis der Flieger abhebt! Ich parke nach meiner ,,Ehrenrunde “ also wieder auf den Platz, der Gott seis gedankt noch frei ist und starte eine Telefon-Session. Mein Mann – ist gerade in einer Untersuchung, ruft später zurück,  Sohneman – geht nicht ans Telefon, meine Freundin Zoe – Anrufbeantworter, andere Freunde – genauso Fehlanzeige. Göttergatte ruft zurück – keine Chance, keine Zeit mehr. MIST. Dann ohne Tasche? Muss ich mir noch überlegen, jedenfalls hole ich meine ganzen Sachen wieder aus dem Auto und hechele mit meinen lächerlichen Absatzschuhen mit unregelmäßigem Stakkato-Geklapper durchs Parkhaus …

 

01.07.2019, 12.19 Uhr

Das Handy klingelt und vibriert gleichzeitig in meiner Handtasche. Es dauert einen Moment, bis ich es aus der Tasche bugsiert habe. Ein Blick auf das Display sorgt dafür, dass mein Gehirn sicherheitshalber sofort erneut Adrenalin durch meine Adern pumpt. Zoe ruft zurück! WOW! Ja, sie hätte Zeit, kein Problem, sie wird mir die Tasche zur Sicherheitskontrolle bringen. Zoe, ich knutsche Dich! Ein Blick auf die Uhr: in 49 Minuten soll dieser Flieger abheben, in knapp 20 Minuten ist Boarding und ich bin noch nicht einmal eingecheckt … ,,Okay,“ sage ich, ,,beeil´ Dich!“ Sie muß noch zu unserem Haus, die Tasche holen, mein Sohn muss sie hören, aufmachen, die Tasche finden … Es sind 20 km zum Flughafen … Verdammt knapp! Ich versuche erneut, ihn zu erreichen – wieder nix! Wo steckt der Kerl blos?

Egal, jetzt muss ich einchecken und den Koffer aufgeben, da nützen alle Überlegungen nix… Glücklicherweise sind nicht mehr viele Gäste vor mir, die Zeit ist eigentlich schon zu weit fortgeschritten, Der nett aussehenden Stewardess am Check-In Schalter erkläre ich die Situation. Sie schaut mich mit einer Mischung aus Ärger und Mitleid an: ,,Das wird knapp! Aber wir werden sehen, was wir machen können …“ Also gehe ich durch die Kontrolle, was wieder Erwarten auch ohne große Wartezeiten klappt und erkläre dabei auch diesen Beamten meine Problematik, ziehe widerwillig meinen Hut und meine Schuhe aus und gehe durch die Kontrolle, dann hol´ich mir erst einmal einen Kaffee …

01.07.2019, 12.36 Uhr

Ich rufe Sohnemann an: Ja, Zoe sei vor etwa 10 Minuten dagewesen und habe die Tasche abgeholt, die im Flur gestanden habe. Er sei  im Garten beim Trampolinspringen gewesen, deshalb habe er das Telefon wohl nicht gehört! Aha! Egal jetzt! 20 km bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 km/h sind 20 Minuten … In vier Minuten ist Boarding! IHH! HOFFENTLICH reicht die Zeit! Und was mache ich sonst? Ich mag gar nicht dran denken. Ich ruf´ Zoe besser ´mal an … Jau, sie ist noch auf der Autobahn und macht sich Sorgen, wie sie so schnell an die Sicherheitskontrolle kommen soll. Ich versuche, ruhig auf sie einzuwirken obwohl mein eigenes Herz dabei ist, in die Hosentasche zu rutschen …

01.07.2019, 12.42 Uhr

Obwohl die Schlange beim Boarding bereits merklich kürzer ist,  muss ich unbedingt ´nochmal für ,,kleine Mädchen“. Als ich zurückkomme, stehen nur noch zwei Leutchen vor dem Boardingschalter. Ich spurte also noch einmal zur Sicherheitskontrolle, aber keine Spur von Zoe! ACH MÖNSCH!!!

01.07.2019,12.49 Uhr

Ich hechte zurück zum Boarding. Noch 21 Minuten bis zum Abflug. Die Stewardess schaut mich streng an: ,,ich schließe jetzt das Boarding, entweder kommen sie mit oder nicht!“ Was soll ich tun? Eigentlich kann ich doch ohne das Zeugs in meiner Aktentasche nicht fliegen … Was soll ich ohne Medikamente machen? Was ohne mein Laptop und meine Ladegeräte? Menschenskind, die Schlacht ist eindeutig vorbei, der Wettlauf mit der Zeit verloren … Ich kann nicht fliegen!

Doch irgendetwas in meinem Inneren sagt mir, ich solle zum Flieger laufen, obwohl das eigentlich total unlogisch und widersinnig  ist.

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01.07.2019, 12.54 Uhr

16 Minuten bis zum Abflug … Ich komme in den Flieger. Die Stewardess sieht, wie mir die Tränen über die Wange fließen und ich hektisch versuche, Zoe noch zu erreichen – und tatsächlich! Sie ist DAAA! An der Sicherheitskontrolle …

Zoe: ,,Sag mal Nessy, was soll ich denn jetzt machen? Die sagen, ich kann hier nicht durch!“

Ich: ,,Wart´ ma kurz!“

Stewardess:,, Was ist denn los, warum sind sie denn so aufgeregt?“

Zoe:,, Du, die schauen mich schon ganz komisch an … Wenn Du jetzt keine Zeit hast, parke ich noch schnell das Auto um!“

Ich (ins Handy):,, NEEEIN!“ und – gaaaanz ruhig – zur Stewardess in dennoch etwas hektischer, obiger Stimmlage:,, Ja, also, meine Freundin steht mit meiner Medikamententasche vorne an der Sicherheitskontrolle… aber die Stewardess dort hat mir gesagt, es sei zu spät, zurück zu ihr gehen und so mußte ich ohne meine Aktentasche zum Flieger. Aber eigentlich kann ich gar nicht ohne Medikamente fliegen,  deshalb muss ich  wieder zurück, wenn ich diese Tasche nicht bekomme und kann nicht fliegen!“

Stewardess:,,Oh jeh, jetzt atmen sie einmal ruhig durch! Können sie das dem Kapitän auf englisch erkären?“

Zoe am Telefon:,,Die sagen, da besteht keine Chance und ich solle ich vom Acker machen. Außerdem weiß ich gar nicht, wie ich aus dem Parkhaus kommen soll, ich hab´kein Geld“

Ich:,,Vielleicht klappt es ja doch noch, warte doch einfach einmal kurz!“

Zoe:,,Wie soll das gehen, wenn DU schon im Flieger bist? Du hast Nerven, jetzt kann ich betteln gehen, damit ich aus dem Parkhaus komme, so ein Mist!“

Ich:,,Liebe, liebe Zoe, Bitte warte einfach kurz!“

Stimme aus dem Cockpit:,,What´s going on, why is that lady crying?“

Zoe:,,Okay … Was ist denn jetzt? Wie soll das denn gehen mit dem Geld? Du hast anscheinend nicht kapiert, dass wir uns nicht mehr treffen können!“

Da werde ich tatsächlich zur Cockpit-Türe gebeten, wo zwei ausnehmend gut aussehende Herren sitzen. Ich erkläre  den Herren Flugkapitänen kurz die Geschichte und lasse Zoe einfach mithören …

Rechter Pilot, sympathisch lächelnd:,,But thats no problem, we have enough time left!“ Er greift zu seinem Sprechgerät … Linker Pilot … wendet sich ab und … ich traue meinen Augen nicht … grinst … Doch mit wird klar, was für einen seltsamen Anblick ich bieten muß – und dann auch noch mit diesem bescheuerten Hut … Ich reiße mir das Ding vom Kopf …

Mittlerweile ist die unfreundliche Stewardess, die das Gate geschlossen hat, zum Flieger gekommen, stürmt die Treppe hoch und schaut mich wütend an, als wolle sie mich gleich aus dem Flieger werfen: ,,Was  ist den jetzt wieder los mit dieser Person?“

Ich:,,meine Freundlin steht doch schon am Gate! Die Tasche kann doch noch mit!

Sie: ,,Nein, mein Fräulein, …“ In dem Moment bekommt sie eine Order per Funk –  wohl vom Tower. Dann sagt sie leise und tonlos:,,Ich hole den verdammten Aktenkoffer!“

Ich drücke ihr 50 Euro in die Hand. ,,Oh, danke…“ stammelt sie, nun sichtlich gerührt.

Ich:,,Sorry nein, den Schein müssen sie leider meiner Freundin geben… „-,,Das geht nicht, ich kann doch nicht … Wenn dann was schief läuft, bin ich noch schuld!“ – ,,Das muss gehen, sie kommt sonst nicht aus dem Parkhaus!“ Ich schaue sie mit einem so festen Blick an, dass sie ihn fast spüren muss ….

Plötzlich ist er, als habe sich bei ihr ein Schalter umgelegt. Wahrscheinlich sehe ich so komisch aus, mit meinen verwuschelten Haaren, dem Hut in der Hand, meinem von Tränen und Schweiß puterrotem Gesicht und, verschmiertem Make up … dass es unmöglich ist, mir böse zu sein. Schließlich wirft man auf einen toten Löwen auch nicht mit Steinen …

Denn sie nimmt sie den Schein, lächelt mich an und sagt ganz freundlich:,,Okay … da haben sie wirklich verdammtes Glück gehabt!“

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Dieses Bild entstand tatsächlich eine viertel Stunde nach dem Aktentaschen-Ereignis

01.01.2019, 13.00

10 Minuten bis zum Abflug. Zoe hält 50 Euro in den Händen, wünscht mir eine wunderschöne Reise, ich meinen Aktenkoffer in meiner linken Hand, mit der rechten das Handy und umarme gleichzeitig die Stewardess, die mir den Koffer im Dauerlauf zum Flugzeug gebracht hat…

Danksagung

Ach Leute, ich knutsche Euch alle! Ohne Euren außergewöhnlichen Einsatz für mich hätte ich tatsächlich nicht nach Berlin zur Fashion Week, auf die ich mich schon das ganze Frühjahr freue, fahren bzw. fliegen können! Und es waren herrliche Tage! Ihr habt meine Vergesslichkeit ausbaden müssen und besonders Zoe habe ich in eine unangenehme Situation gebracht! An dieser Stelle herzlichen Dank Euch allen, die Ihr mir diese Reise ermöglicht habt!

Fazit

Es gibt sie also noch – die hilfsbereiten Menschen, die ,,einfach so“ helfen, egal ob wirklich gute Freude, die, ohne groß nachzufragen, sich ins Auto setzen, um einen 20 km entfernten Flughafen anzufahren, den sie kaum kennen, oder eine Stewardess, die mich sofort ins Cockpit läßt, als sie sieht, dass etwas im Argen liegt, Piloten, die einfach mit dem Tower telefonieren, um ..die Taschenübergabe“ einer Wildfremden zu koordinieren oder die andere Stewardess, die letztendlich tatsächlich im Dauerlauf über das Rollfeld zum Flughafen läuft, um mir die Tasche mit Medikamenten zu bringen …

So war diese Erfahrung eine der beeindruckendsten der Fashion Week!

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7 Kommentare zu „Short Story: Warum ich wegen einer guten Freundin, zwei Stewardessen und zwei Piloten doch noch nach Berlin flog

  1. 🙂 Die schönsten Geschichten sind die, die das Leben schreibt, liebe Nessy.
    Und ja, es zeigt sich immer wieder, dass es noch ganz viele nette Menschen auf der Welt gibt. Gott sei Dank!
    Liebe Grüße
    Claudia 🙂

    1. Danke Dir Claudia! Ja, diese Erfahrung habe ich übrigens auch im Netz gemacht! Da sind sehr viele nette Webseitenbesucher und Bloggerkollegen – schon allein deshalb lohnt sich das Bloggen!

  2. Moin liebe Nessy, das war ja wie im Film 😀 Deine Outfits in s/w finde ich total klasse, und jetzt hätte ich gerne noch die Fashionista ohne Hut und Schuhe an der Kontrolle gesehen 😉 Hab eine wunderbare Sommerwoche!

    1. Liebe Sabine! Eine berechtigte Frage! Aber wenn die Sache mit der Aktentasche nicht gewesen wäre, hätte alles supi geklappt! In Saarbrücken dauert alles sehr viel kürzer, weil es ein sehr kleiner Flughafen ist, bei dem es z.B. nur eine Sicherheitskontrolle auf dem ganzen Flughafen gibt und die Gäste nicht durch eine Gangway einsteigen oder vom Bus zum Flugzeug gefahren werden, sondern tatsächlich über das Rollfeld zum Flieger laufen! Woran Du Saarbrücken in jedem Fall erkennst? Dass die Koffer von einem Trekker mit Anhänger zur Kofferhalle gefahren werden … In Frankfurt oder sonstwo wären die Zeiten absolut utopisch, da geben ich Dir absolut recht! Liebe Grüße, Nessy

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