Es war mal wieder soweit – der Reisepass war abgelaufen, das hieß zuerst einmal: Passbilder machen. Eine gute Freundin, die sich dadurch auszeichnet, dass sie eigentlich immer alles weiß, oder zumindest zu wissen glaubt, empfahl mir einen ganz Tollen: Keine Wartezeiten, preislich ok und wirklich soo gute Bilder. Das Augenzwinkern dabei verstand ich irgendwie nicht. Hatte sie eine Mücke im Auge oder was? Erst später sollte mir klarwerden, was es damit auf sich hatte…
Tatsächlich. Man konnte sich doch auf ihre Tipps verlassen. Nie wieder zweifle ich an dir, meine Liebe. Als ich hinkam, war alles supi. Der Parkplatz direkt vorm Hauswar wie von Geisterhand zufällig frei. Und nach einem melodischen Türklingeln, das mich irgendwie an meine Kindheit erinnerte, stand ich vor dem Meister persönlich. Ungeduldig wartete er, bis ich mit der Bürste meine Haare etwas in Form gebracht hatte – und nach drei Minuten waren die Bilder fertig. Als ich sie auf dem Bildschirm sah, war ich ein wenig skeptisch. Der typische, leicht verwirrte Paßbild-Blick ließ mich nicht gerade intelligenter erscheinen und die Bürste hatte ihren Dienst auch nicht unbedingt glänzend erledigt. Etwas seufzend blickte ich auf die Galerie der makellosen Schönheiten auf der Wand – fast überirdisch schön waren die Damen… „Welches Bild sollen wir denn nun nehmen?“ riss mich der Erschaffer der Schönen, Goodfather der Fotografen – nur bei mir, ja , da war Hopfen und Malz verloren – aus meinen Gedanken.
Widerwillig sah ich auf den Bildschirm – wer war dieses hübsche Geschöpf??? Erst nach wenigen Augenblicken verstand ich, dass es ich sein sollte – ja doch, die gleiche Haarfarbe, der Lippenstift – ich ?! Fragend schaute ich den strahlenden Fotografen an. „Ich habe mir erlaubt, drei Jahre abzuziehen …“ Ich studierte das Bild genauer – alle durchwachten Nächte, die ich mit Nachtdiensten verbracht hatte, alle Sorgen, Schlampigkeiten beim Sonnenschutz schienen aus meinem Gesicht verschwunden, hinzugekommen waren dafür mindestens fünf Sitzungen des Allround Angebotes Botox und Filler…
Ja, doch, diese taffe Person mit dem selbstbewußten Blick sah so aus, als gäbe es nichts, mit dem sie nicht fertig würde. Warum eigentlich nicht? Der kurze Moment des Widersprechen-Wollens war verflogen. Nein, es war nicht schlecht, sich von ihr, meinem „besseren Ich“ auf meinen Reisen begleiten zu lassen… Beim Bezahlen sah ich den Fotografen kurz an – und da war es auch in meinem Auge – das Zwinkern…

Nach den aktuell für mich interessanten medizinischen Beiträgen belohnte ich mich mit der netten Passbildstory. Vielen Dank! Ich hätte das Passbild in entsprchender Situation auch nicht ausgeschlagen!
Dein Gesicht ist wunderschön, wie es ist…LG