Es war schon lange dunkel. Das Rauschen der alten Eichen und die Tiere des Waldes waren laut. Aber da war noch ein anderes Geräusch, dass sich irgendwie meinen Schritten anzupassen schien… Ich hasse es, nachts alleine durch den Wald zu gehen, aber wir waren spät heimgekommen und ich war die einzige, die unbedingt noch einen Kontrollgang zu unserem Pferdestall machen wollte…
Ich blieb stehen und lauschte. Das Geräusch schien verschwunden, so sehr ich mich auch anstrengte, etwas zu hören. Also ging ich wieder los. Da war es wieder – eindeutig! Und nicht mal weit von mir weg. Nein, keine Schritte, eher so … „glutsch-klatsch, glutsch-klatsch…..“ Merkwürdig. Ich lief schneller. Durch die Bäume sah ich schon den Stall. Ich hastete…. Das „Glutsch-Klatsch “ hastete mit… Mein Herz fühlte sich an wie kurz vor dem Zerspringen, eine Panik baute sich in mit auf. Oh Gott, vielleicht verbarg sich hinter dem Geräusch doch ein irrer, sabbernder Triebtäter, der mich zwischen den Bäumen auflauerte und vorher noch grausame Spielchen mit mir spielte, bevor er sich auf mich stürzen wollte…
Endlich war ich am Stall angekommen, sofort betätigte ich den Lichtschalter, aber die Pferde schauten mich nur erstaunt an und so, als wollten sie sagen: „Wir wollen unsere Ruhe, was machst du für ein Bohei…!“ Vor lauter Aufregung fiel mir in dem Moment meine Handtasche zu Boden und noch bevor ich sie stoppen konnte, öffnete sich der Verschuß und ein offener Joghurtbecher hinterließ eine dicke weiße Spur auf dem Boden. Sprachlos hob ich meine Lieblingstasche, die mir mein Mann extra aus Mailand mitgebracht hatte, auf. Mir schwante schreckliches, als ich sah, wie sich scheinbar von innen heraus ein feuchtes, weißlich Muster auf dem Leder abzeichnete.. Vorsichtig öffnete ich mit spitzen Fingern den Verschluß. Mist. Der Joghurtbecher, den ich eigentlich für den kleinen (oder größeren) Hunger auf unseren Ausflug heute mitgenommen hatte, war in der relative großen, festen Tasche bei jedem Schritt hin- und hergeschleudert worden und jetzt bei dem Sturz auch noch aufgegangen – Blöd! Warum hatte ich den Joghurt auch mitnehmen müssen, wenn ich ihn dann eh vergaß – nur aus Angst, Hunger zu haben! Das war mir einmal bei einem Kongress, bei dem der Lunch-Vortrag schon geschlossen war, als wir dort ankamen, passiert – der Hunger war zugegebenermaßen schrecklich gewesen, seitdem gab ich den Bettlern auf der Bahnhofsstraße anstatt Geld lieber belegtes Brötchen…
Aber zurück zu jenem Abend! Zum Glück war wenigstens meine Angst fast weg – sie wurde aber durch ein nicht angenehmeres, ärgerliches Gefühl über die Verschmutzung der teuren Tasche verdrängt… Nachdem ich den Pferden, die mich, wie mir schien, mit einem spöttisch-mitleidigem Blick bedachten, noch etwas Heu hingeworfen hatte, machte ich mich auf den Heimweg.
Angst! Ich doch nicht.. Doch da – waren da nicht? Verdammt! In der Tat, ich hörte es ganz deutlich! Schritte! Sogar etwas schnellere als meine. Nein, ich irrte mich definitiv nicht! Dieses Geräusch hatte nichts mit einem Joghurtbecher zu tun!
Es war so dunkel, dass ich nur mit Müh und Not die Bäume um mich herum erkennen konnte, aber weder den Weg vor- noch hinter mir. Nein, die Schritte kamen von vorne – aber ich sah einfach nichts, obwohl meine Augen vor lauter Anstrengung und Zusammengekneife schon brannten, als würde eine dicke Stubenfliege direkt unter der Liedfalte herumkrabbeln. Jedem, dem schon einmal eine Fliege ins Auge geflogen ist, weiß, was ich meine. Aber dieser Schmerz war jetzt unwichtig. Wohin sollte ich gehen? Ich mußte handeln, sofort, das war mir klar! Ich versuchte mich an alle Krimis zu erinnern, die ich je gesehen hatte – Sherlock Nessy handle! Schnell und richtig, wenn möglich… Ich bekam wieder etwas Mut. Wenn Sherlock Holmes in solchen Situationen besonnen handeln konnte, konnte ich das auch! Ja natürlich…, ich hatte zwei Vorteile. Erstens war es dunkel und zweitens kannte ich den Wald wie meine Westentasche. Stundenlang war ich darin mit Hunden und Pferden herumgestreift, wie eine Löwin durch die Savanne und hatte mir in den Jahren jeden Baum und jede Pfütze eingeprägt…
Mit einem Satz sprang ich ins seitliche Dickicht. Dahinter war doch eine Kuhle! Furchtbar schlau, wie ich fand, schmiß ich mich hinein. Sie war im zweiten Weltkrieg durch das Bombardement der Amerikaner entstanden, wie ich schon oft Besuchern, zugegebenermaßen mit einem Hauch von Stolz über mein (wenn auch auf diesem Gebiet sonst eher bescheidenem) Wissen erzählt hatte…
Die Schritte kamen näher. Ich drückte mich, so tief ich konnte, in den Boden. Mein helles Gesicht zeigte nach unten, damit es in der Dunkelheit nicht womöglich doch noch zu erkennen war … ja, ich hatte bei meinen Krimi-Abenden wirklich aufgepasst! Ich spürte die kalten Blätter und den Modergeruch in meinem Gesicht, die Nerven waren bis zum Bersten gespannt. Die Schritte hatten sich jetzt verlangsamt. Sie waren auf dem Weg auf meiner Höhe angekommen. Mein Mut war auf Mikrobengröße geschrumpft und mein Herz schlug so laut, dass ich Angst hatte, man könne es auf dem Weg wie Trommelschläge hören! Ich vernahm den beschleunigten Atem meines Feindes, … Schlagartig wurde es hell. Oh nein, jetzt hatte der „Jemand“ auch noch eine Taschenlampe angeknipst und leuchtete auf den Weg vor ihm… – da rief dieser Mensch – ihr ratet es nicht! …meinen Namen “ Nessyyyyy….! Nessyyyyyy!“ Die Stimme kannte ich doch! Oh je – und Gott sei Dank – es war tatsächlich die meines Mannes!
In mir machte sich Erleichterung breit und ich merkte, wie mir die Tränem über mein verschmiertes Gesicht kullerten … Was war ich nur für ein Obertrottel gewesen! Damit hätte ich wirklich rechnen können… Mein Mann ist ein Schatz und immer sehr fürsorglich. Wenn es im Stall länger dauert oder auch so, kommt er oft und schaut nach mir…. Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken! Als ich mich ein wenig gesammtelt hatte , krabbelte ich wie ein altersschwacher Mistkäfer aus der Kuhle. Dabei blieb ich mit dem Ärmel an einer Brombeerranke hängen und mit einem „Ratsch“ blieb ein Teil des Ärmelstoffes in dem Gewächs. Da streifte mich der Strahl der Taschenlampe und meinem Mann entfuhr ein markerschütternder Schrei! Erst jetzt wurde mir bewußt, dass zwar ich ihn, aber er nicht mich gesehen hatte. “ Steff, allles gut…“. Er starrte mich entgeistert an „Erschreck mich nicht so!“ Was soll denn die Kriegsbemahlung! Und wieso läufst du im Wald nicht auf dem Weg?“ Doch dann war er schlagartig still. Er hatte es auch gehört. Da waren eindeutig Schritte…
…die sich als die unseres Sohnes herausstellten. Er hatte allein zuhause Angst gehabt…
Wow, was für eine gruselige und lachhafte Geschichte zugleich, spannend geschrieben (und so anschaulich geschrieben). Dein Mann weiß schon, warum er auf dich aufpassen muss ! 🙂 Könnte ’ne Geschichte aus „Die Spinne in der Yuccapalme“ sein, ehrlich. Pfff ich les deinen Blog lieber nicht mehr vorm Schlafengehen **grusel** Gruß Philo
Hallo Philo, danke für den lieben Kommentar! Freut mich sehr, dass Dir die Geschichte gefallen hat, hoffe, du kannst heute trotzdem gut schlafen 😉 . Gute Nacht, Nessy
Ja konnte ich, bin ja eine Gruseltante und mag so Geschichten gerne 🙂