„Gewalt ist nie eine Lösung!“
2009 hatte sich der Goodfather der Pferdeflüsterer, Monty Roberts, in Saarbrücken angemeldet. In der Zeitung wurden Pferde gesucht, die für seine Show geeignet waren, sprich, irgendeine kleinere oder größere Macke hatten. Nun, damit konnte ich dienen. Zu der Zeit hatte ich mir gerade eine junge Zweibrücker-Stute namens Penny Lane gekauft und war dabei, sie einzureiten.
Sie hatte einen guten Charakter, leider blieb sie beim Aufsteigen trotz allerTricks nicht stehen. Ideal für Monty! Tatsächlich wurden wir genommen. Morgens waren wir alle total aufgeregt – wir mit unserem Pferd den ganzen Tag bei Monty und seinem Team! Doch dann kam etwas, mit dem niemand gerechnet hatte… Als wir an den Stall kamen, war ein sonst sehr friedlicher Wallach , der die Stute kannte und noch nie etwas derartiges getan hatte, gerade dabei, Penny Lane nach allen Regeln der Kunst zu vermöbeln und zu beißen! Nur mit Mühe gelang es uns, den Wallach zu trennen, doch Penny war total verängstigt und hatte einige Bisswunden abbekommen. Nur mit Mühe konnte ich die Tränen zurückhalten als sie so dastand und mich verstört ansah. Ich streichelte ihr sanft den Hals, da drückte sie ihren Kopf an mich als suche sie Trost. Ich weiß nicht, was sie dachte, aber das Gefühl, dass sie mir trotz oder gerade wegen des Vorfalls vertraute (weil wir sie „gerettet“ hatten?), überwältigte mich so, dass ich für einen Moment ganz weiche Knie bekam.
Jedenfalls rief ich Montys Mitarbeiter an, dass wir unter diesem Umständen nicht kommen könnten. Aber es geschah etwas, mit dem ich nie gerechnet hätte – nach kurzer Rücksprache mit Monty rief mich die Dame zurück und sagte, wir sollten nun erst recht kommen, auch wenn wir nicht auftreten könnten. Sie hätten einen guten Tierarzt vor Ort und Monty wolle sich die Stute auf alle Fälle ansehen??? Er kannte mich nicht, trat am Abend vor tausenden Leuten auf, musste seine Show vorbereiten und wollte mich kleine Nessy aus Saarbrücken mit ihrem verbissenen Pferd sehen? Was in aller Welt bewog ihn dazu? Ich ahnte zu dem Zeitpunkt nicht, dass die Antwort meine Denkweise verändern würde…

Das Einladen klappte relativ gut und als wir ankamen wurden wir gleich sehr freundlich von Montys Mitarbeitern begrüßt. Nach kurzer Zeit begrüßte uns Monty persönlich. Er war kleiner und schmaler, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Er sagte, er habe in den vergangenen Wochen nur Hühnchen mit Reis und Reis mit Hühnchen gegessen, da sein Arzt gesagt habe, er müsse das, wenn er noch lange leben wolle und das wolle er! Er wirkte dabei schelmisch und auf seltsame Art zart.. Seine Augen strahlten Wärme und Güte aus und ich war überrascht, wie es dieser Mensch schaffte, dass man sich in seiner Gegenwart sofort wohl fühlte.
Er ließ einen Tierarzt zu Penny kommen, der sie untersuchte und ihre Wunden für mindestens zehn Minuten mit einer Lösung abwusch –Penny ließ sich das gerne gefallen und man sah, wie die Wunden abschwollen. Monty wollte sehen, wie es ihr im Verlauf ginge und dann entscheiden, ob sie in seiner Show mitwirken konnte oder nicht. Für den Tag bekam sie eine Box mit Heu und dicker Einstreu.. Monty lud uns ein, den Tag mit ihm zu verbringen, wir durften Fragen stellen und ihn beobachten, wie er mit den anderen Pferden arbeitete. Dies gestaltete sich so, dass er sich die Geschichte von jedem Pferd erzählen ließ und es dann kurz in den Round Pen holte. Er konfrontierte sie noch nicht mit ihren Problemen sondern wollte sehen, wie sie sich dort verhielten.
Natürlich fragte ich, was er meine warum sich der Wallach am Morgen so aggressiv verhalten hatte und er meinte, dass das unter Stuten und Wallachen, auch wenn es seltsam schien, manchmal vorkäme, was in ihrer Natur und in ihrem Dominanzverhalten begründet sei, auch wenn sie sich sonst gut verstanden hätten. Es kann auch sein, dass an diesem Tag etwas anders gewesen sei, das wir nicht registriert hätten…
Er würde aber Stuten und Wallache auf seiner „Flag is up Farms“ immer trennen. Wenn wir es aber nicht anders organisieren könnten, sollten wir dem Wallach ein kleines Stück auf der Koppel abtrennen und ihn jedes mal wegholen, sobald er Aggressionen gegen die Stuten zeige. Mit der Zeit könne man das abgetrennte Stück vergrößern. Wenn es dann gutgegangen wäre, könne man es nochmal versuchen, sie zusammenzulassen (unter Aufsicht ). Falls es nicht klappt, kommt er sofort wieder weg und man beginnt wieder mit dem kleinen abgetrennten Stück…
Diese Antwort war schon ein gutes Beispiel, was einer der Grundzüge von Monty Roberts Denkweise ist, so wie ich sie verstanden habe: Das Pferd hat das Gefühl, sich entscheiden zu können – es hat eine Alternative. Diese ist für es zwar unangenehm (es muss auf das kleine Stück zurück) aber immer gewaltfrei („Gewalt ist keine Lösung“).
Wegen Pennys Verletzungen entschieden wir, Penny am Abend nicht auftreten zu lassen. Aus diesem Grund wollten wir sie vor der Beginn der Show nach Hause fahren, aber Penny hatte entschieden, nun nicht mehr in den Hänger zu wollen. Was nun geschah, war wiederum bezeichnend. Als hätten sie darauf gewartet, kamen sofort Montys Leute und bauten Gitter um unseren Hänger auf ??? Eine nette Frau erklärte mir, sie zeige mir nun, wie man ein Pferd, das nicht in den Hänger möchte, dazu bringt, hineinzugehen. Normalerweise machen sie mit den Pferden zuerst ein „Join up“ im sogenannten Round Pen.
(Wenn Ihr Euch dafür interessiert, könnt Ihr es gerne genauer z.B. den Büchern oben oder auch im Internet nachlesen) Grob gesagt ist es eine Art runder Paddock, in dem das Pferd dazu bewogen wird, herumzulaufen. Irgendwann möchte es nicht mehr weglaufen (es senkt den Kopf und fängt an, zu lecken und zu kauen) es wird dann selber Kontakt zum Menschen in der Mitte suchen und sich ihm anschließen. In dem Moment, in dem es dem Mensch nachläuft ist das „Join up“ vollzogen. Von nun an wird es „seinem Menschen“ vertrauen – die Basis zum Weiterarbeiten ist gelegt.
Bei uns konnten wir darauf verzichten, weil Penny das Grundvertrauen zu Menschen ja eigendlich schon hatte und wir dazu auf dem Parkplatz auch nicht so die Möglichkeit hatten.
Also bekam sie das sogenannte Dually-Halfter angezogen, das zwei Stricke über die Nase hat, von dem einer bei Zug an dem Strick Druck auf die Nase ausübt (dies kann man auch mit einem normalen Halfter imitieren, wenn man einen Strick über die Nase legt).
Dann wurde sie an das Halfter gewöhnt, indem sie damit geführt und rückwärts gerichtet wurde.
Um den Hänger hatte man in der Zwischenzeit mit Gittern rechts und links eine Gasse gebaut. Die anfangs breit gestellt war (während des Trainings wurden die Gitter schmaler gestellt und weitere Elemente angefügt, sodass Penny nicht weglaufen konnte).
Nun begann das eigentliche
VERLADEN
- Das Pferd wurde zügig zu dem Hänger geführt. Kurz vorher passierte wie erwartet, dass es stehenblieb und keinen Schritt mehr vorwärts machte, sondern rückwärts. Die Führerin ließ sich nicht beeindrucken.
- Sie ließ es rückwärts treten, indem sie an dem Strick zoppelte, was es sichtlich nicht möchte.,
- Dann führte sie das Pferd wieder vorwärts , abermals wiederholte sich das Spiel. Sobald sie stehenblieb, fing das Gezoppel wieder an.
- Irgendwann wurde ihr das zu blöd und sie entschied sich, jetzt doch in den Hänger zu gehen und – das Gezoppel hörte aus.
- Jetzt wurde das Ganze noch ein paarmal geübt. Rein in den Hänger – raus aus dem Hänger.
- Jetzt sollte ich es mit meinem Pferd versuchen – es klappte auf Anhieb!
- Nun sollte ich mich in den Hänger stellen und mein Pferd wurde an den Anfang der Gasse gestellt. Jetzt wurde ich aufgefordert, sie zu rufen und – siehe da- sie trabte in den Hänger und sah mich an als wolle sie sagen – können wir jetzt fahren oder was?
Nachdem das Verladen also erfolgreich geklappt hatte, fuhren wir schnell nach Hause und brachten Penny in Ihren Stall. Sofort machten wir uns wieder auf nach Saarbrücken, wir wollten nichts verpassen und noch bei den Vorbereitungen für die (übrigens grandiose) Abendshow dabei sein. Der ganze Tag war wunderschön gewesen, alle waren so lieb und freundlich gewesen. Kein Stress, kein böses Wort…eine große, herzliche Familie obwohl sich der Großteil der Leute gar nicht so gut untereinander kannten, die meisten von Montys Leuten waren aus Holland, wenige Leute hatte er aus USA mitgebracht.
Ich verstand nun auch, warum wir hatten kommen sollen. Weil Monty aus den wenigen Fakten, die er gehört hatte, wusste, dass es uns nicht gut ging und wir traurig waren… und er uns helfen konnte… CHAPEAU MONTY!
4 Kommentare zu „Mein Tag mit Monty-Roberts oder: Wie bekomme ich ein unwilliges Pferd auf den Pferdehänger?“